Wir konnten uns nicht entscheiden und haben uns gleich mit zwei Veranstaltungen am Digitaltag am 19.6.2020 beteiligt und Impulse gesetzt. Mit insgesamt etwa 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind wir mehr als zufrieden.

Das Online-Seminar „Die young – as late as possible! Digitale Gesundheit ist ein Geschäftsmodell mit Zukunft!“ ging der Frage nach, wie ältere Menschen von digitalen Gesundheitsangeboten profitieren können und wie Startups dazu beitragen können. Ob Apps für das Smartphone, das smarte Zuhause oder Telemedizin: Fast täglich kommen neue Angebote auf den Markt.

In Zeiten von Sozialer Distanz macht das Internet vieles möglich und erträglicher,  verstärkt zugleich aber auch die digitale Spaltung der Gesellschaft. Frank Leyhausen bezog sich in seinem Einstiegsvortrag „Digitalisierung bedeutet Verhaltensänderung!“ auf Ergebnisse des D21-Digital-Index, wonach 30 Millionen Bürgerinnen und Bürger das Internet viel mehr und besser für sich nutzen könnten. Diese Gruppe dürfen wir nicht verlieren. Dabei wird häufig der Aspekt der Motivation überbewertet. Vielmehr müsse es das Ziel sein, eine Verhaltensänderung durch Befähigung beim Thema „Digitale Gesundheitsanwendungen“ herbeizuführen. Aber wer kann das leisten? Die Politik kann lediglich von oben lenken, aber es gibt zu wenig Dienstleister und Unternehmen, die sich diesem Thema annehmen. Dabei steckt hier viel soziales und wirtschaftliches Potenzial. Daher wurde das Online-Seminar neben dem Wettbewerb SENovation Award auch von der Digitalagentur Niedersachsen ]und der Initiative startup.niedersachsen begleitet.

Der Impuls von Professor Gunnar Spellmeyer von der Hochschule Hannover verdeutlichte den Stellenwert des Designs von Produkten. Während des Innovationsprozesses sei die innere Haltung, im Sinne eines „Design Thinking“ entscheidend. Durch Empathie und den direkten Austausch mit der Nutzergruppe sollten sich Entwicklerinnen und Entwickler in das Thema einfühlen, gleichsam hineinspüren und dadurch den wirklichen Bedarf verstehen. Neben der Anschlussfähigkeit der Lösung sind dies die wichtigsten Voraussetzungen, um ein Produkt erfolgreich im Markt zu platzieren. Gerade auch im Kontext von Sozialen Innovationen sollte man eher von Entrepreneuren denn von Startups reden, da diese Bezeichnung Unternehmer meint, die unserer Welt etwas geben wollen und im positiven Sinn etwas bewegen möchten. Das von ihm als Professor für Industrial Design geleitete Entrepreneurship-Center der Hochschule Hannover Nexter begleitet von der ersten Idee bis hin zum erfolgreichen Unternehmen.

Sehr inspirierend war auch der Vortrag von Diana Heinrichs, die als Social-Entrepreneurin sehr erfolgreich das Unternehmen Lindera Anfang 2017 gegründet hat. Wenn Senioren stürzen, kann das langwierige gesundheitliche Folgen haben. Die Lindera GmbH hat eine App entwickelt, die Bewegungsabläufe analysiert und das Sturzrisiko bewertet. Möglich wird dies durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI). Mittlerweile kooperiert das Startup mit namhaften Unternehmen aus der Pflegewirtschaft sowie Krankenkassen. Sie appellierte dafür, gesellschaftlich offen über den Einsatz künstlicher Intelligenz zu diskutieren, um es zum Nutzen der Gesellschaft einzusetzen. Die Lösungen könnten nicht allein von der Politik kommen. Für sie als digitale Pionierin steht die Technologie gerade am Scheideweg: Kann KI gesellschaftliche Probleme lösen? Hierfür sollten jetzt bahnbrechende Ideen aus Europa in einem breiten, interdisziplinärem Diskurs vorangetrieben werden.

Aus der Pflegepraxis berichtete zum Ende des Online-Seminars Christiane Paddags. Als Pflegedienstleitung im DIANAPflegezentrum hat sie in Bad Bevensen den Sprung in die Digitalisierung ihrer Einrichtung gewagt. Vor dem Einsatz der Lindera Sturz-App musste das Sturzrisiko der Bewohner äußerst zeitintensiv über Fragebögen von Physiotherapeuten oder Pflegekräften ermittelt werden. Um für die Möglichkeiten, die die künstliche Intelligenz im Pflegealltag bietet, zu begeistern, wurde das Personal mit Ruhe und Zeit in die Funktion eingeführt, was bei Jüngeren etwas schneller gelang als bei den Älteren. Letztlich sieht das gesamte Personal einen großen Mehrwert in der Digitalisierung dieses Prozesses. Jedoch muss das analysierte Ergebnis auch mittels Gangtraining umgesetzt werden, bei chronischem Fachkräftemangel nicht ganz einfach. Hier zeigt sich, dass Technik unterstützen, jedoch nicht den Menschen ersetzen kann! Übrigens nimmt auch die hochaltrige Bewohnerschaft die Technik sehr interessiert an.

Die Referierenden des WebMeetings „Digitale GestALTER – neue Lebenswelten sozial gedacht: Vom Nutzen der Digitalisierung für Ältere in ländlichen Räumen“ schauten auf die Chancen und Herausforderungen, die sich für Ältere im Hinblick auf die Digitalisierung in ländlichen Räumen ergeben. Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf die Digitalisierung? Wie können innovative Ideen und Lösungen aussehen? Wie können sie überhaupt entstehen und was ist nötig, damit sie die Menschen letztlich auch erreichen?

Die Digitalisierung hält Einzug in nahezu jeden Lebensbereich – von beruflich bis privat. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie der Umgang mit den damit einhergehenden Veränderungen, aber auch mit den dadurch entstehenden Chancen für das soziale Miteinander und das Wohlbefinden aussehen sollte. Im Angesicht der Digitalisierung sind vor allem ältere Menschen eine besondere Zielgruppe. Wie können beispielsweise alleinstehende, ältere Menschen die Digitalisierung für sich nutzen, um Kontakt zu ihren Mitmenschen zu halten oder Zugang zu Services und Unterstützungsangeboten zu bekommen? Können Nachbarschaften auch digital funktionieren?

Den Einstieg machte Regina Meyer aus Göttingen. Als Demografiebeauftragte des Landkreis Göttingen kennt sie nicht nur die Situation und zahlreiche Projekte vor Ort, sondern kann auch die aktuellen Chancen und Herausforderungen, die sich mit der Digitalisierung ergeben, sehr gut einschätzen. Im Interview betont Frau Meyer, dass die Corona-Pandemie eine wahnsinnig schnelle Entwicklung im Bereich der Digitalisierung bewirkt hat. Ebenso rasant, aber natürlich auch erfreulich verlief und verläuft die Entwicklung in den Bereichen Nachbarschaft, Engagement und z.B. Einkaufshilfen. Es kann nur gemutmaßt werden, welche Auswirkungen die Pandemie zukünftig bzw. dauerhaft haben wird. Fest steht, dass die digitale Kommunikation immer wichtiger und bei immer mehr Menschen ankommen wird. Die großen Herausforderungen sind und bleiben wohl, den Umgang mit digitalen Endgeräten zu vermitteln, Unsicherheiten bzgl. Akzeptanz und Datenschutz abzubauen sowie die Breitbandversorgung herzustellen.

Dr. Carola Croll zeigte im Anschluss ein aktuelles Projekt aus Südniedersachsen auf: Ziel des Pilotprojektes „bremke.digital“, das im Programm land.digital vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert wird, ist die Erprobung eines Modells zur Gewinnung von mehr Lebensqualität und zur Förderung des dörflichen Zusammenlebens durch die Nutzung digitaler Dienste (Stiftung Digitale Chancen). Mit der DorfPage (Homepage über Bremke), dem DorfFunk (App, mit der die Kommunikation zum Nachbarn ermöglicht wird) sowie dem Digitalen Schaukasten werden derzeit drei Lösungen auf Nutzen und Akzeptanz getestet – erste Rückmeldungen fielen sehr positiv aus!

Prof. Karsten Ley von der hochschule 21 in Buxtehude ging in seinem Vortrag „Virtualität und Vertrautheit – Die Digitalisierung Älterer im ländlichen Raum und die Bedeutung architektonischer Faktoren“ auf die Rolle der Architektur beim Thema Digitalisierung ein. Als Professor für Architektur ist er zum wiederholten Male mit Architektur-Studierenden an der LINGA Woche beteiligt, so auch im kommenden Jahr. Die LINGA Woche ist ein bisher bundesweit einzigartiges Konzept, bei dem sich Studierende aus unterschiedlichen Fachbereichen und Hochschulen Niedersachsens interdisziplinär austauschen und unter dem Motto „Der Nachwuchs forscht für das Alter“ gemeinsam an innovativen Ideen arbeiten. Prof. Ley zeigte sehr anschaulich auf, dass „das Digitale in den Raum gebracht werden muss. Und das ist die Aufgabe eines Architekten.“ Die Architektur hat daher eine hohe Bedeutung, wenn es darum geht, digitale Medien, Kommunikationsmittel und -wege in den analogen Raum, der oft mit Emotionen und Heimat verbunden ist, zu überführen. Anschließend betonte er noch mal das Herausragende der LINGA Woche: die Interdisziplinarität kann genau diese oben genannte notwendige Verbindung zwischen Analog und Digital herstellen und unterstützen!

„Von der Theorie in die Praxis: Wie aus Ideen Lösungen werden“[nbsp]lautete der Vortragstitel von[nbsp]Florian Renneberg, Projektleiter des SüdniedersachsenInnovatuionsCampus und ebenfalls zukünftiger Partner der LINGA Woche 2021. Herr Renneberg ging auf die Angebote des SNIC im Bereich des Wissens- und Technologietransfers sowie der Gründungsunterstützung, welche mit Hochschulscouts an den am SNIC beteiligten Hochschulen Südniedersachsens beginnt, ein. Auch er deutet an, dass die LINGA Woche mit ihrem Konzept eine wichtige Rolle spielen wird: zum einen, weil sich die Interdisziplinarität immer wieder als Innovationsmotor bewährt, und zum anderen, weil das Thema der Digitalisierung Älterer vor dem Hintergrund des demografischen Wandels immer relevanter für die Region wird.

Digitaltag baut Brücken in der Gesellschaft

Ein Tag, 3.527 Stunden Online-Programm: Der Digitaltag hat heute mit 1.435 Aktionen Menschen in ganz Deutschland erreicht. Auf die vielfältigen Formate von Webcasts, Online-Seminaren und Livestreams über Online-Beratungen, virtuelle Führungen und Tutorials bis hin zu Hackathons gab es eine große Resonanz, wie die Initiative „Digital für alle“ mitteilte. Unterstützt wurde der bundesweit erste Aktionstag für digitale Teilhabe von hochrangigen Vertretern aus der Politik.

Digitaltag-Projektleiterin Anna-Lena Hosenfeld zog ein positives Fazit: „Der Digitaltag hat Menschen in ganz Deutschland rund um digitale Themen zusammengebracht und ist der Startpunkt für einen breiten gesellschaftlichen Dialog. Es geht darum, die Digitalisierung gemeinsam zu gestalten und jede und jeden daran teilhaben zu lassen. Dabei spielen neben dem Aufzeigen von Chancen und Vorteilen auch kontroverse Debatten eine wichtige Rolle.“

 

(Quelle: Initiative „Digital für alle“, Bild: VadimGuzhva – stock.adobe.com)